Was kaufen wir da eigentlich? – Was unser Konsum mit Menschenrechten zu tun hat

Fast jeder von uns besitzt meist hunderte bis tausende Dinge. Angeblich sind es pro Haushalt in Deutschland durchschnittlich 10.000 Gegenstände, wahrscheinlich ist diese Zahl aber noch viel höher. Selten aber wissen wir auch, woher unsere Alltagsgegenstände herkommen – wer sie produziert hat und unter welchen Bedingungen.

Vor ein paar Jahren habe ich beschlossen, dass ich nicht mehr so viel besitzen möchte. Mir ging es vor allem darum, mehr Zeit und Energie für das zu haben, was mir im Leben wirklich wichtig ist. Ich habe mehrere Male radikal ausgemistet. Mich von meinem Besitz zu trennen, hieß aber auch, mich mit meinem Konsumverhalten auseinanderzusetzen. Manche Dinge hatte ich nur aus einer Laune heraus gekauft oder in der Illusion, dass sie mein Leben „besser“ machen würden.

Trotzdem hatte ich dafür Ressourcen verbraucht und Umweltschäden in Kauf genommen. Denn unser übermäßiger Konsum schädigt unsere Umwelt, das ist den meisten von uns mittlerweile klar. Ein noch unbequemeres und seltener angesprochenes Thema aber ist, was wir anderen Menschen mit unserem Konsum antun.

Unser Konsum hat also etwas mit Menschenrechten zu tun.

Viele wissen von den prekären Arbeitsbedingungen in Textilfabriken oder der Ausbeutung von Saisonarbeiter:innen in der Landwirtschaft. Das Problem von Menschenrechtsverletzungen in der Herstellung beschränkt sich allerdings nicht nur auf einige wenige Produkte. Denn in fast allem, was wir kaufen, kann Ausbeutung stecken - von unseren Smartphones bis zu unseren Sneakers.

Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette

Oft vergessen wir, dass für die meisten unserer Alltagsgegenstände schwere körperliche Arbeit auf Feldern, in Fabriken oder in Rohstoffminen nötig ist. Die Produktion von Bekleidung, der Anbau von Lebensmitteln und der Abbau von Mineralien und Metallen sind sehr arbeitsintensiv. Gerade diese Bereiche sind sehr anfällig für Menschenrechtsverletzungen.

Oft sind die Arbeitsumstände gefährlich und gesundheitsschädlich. In vielen Bereichen der Rohstoffproduktion kommen Arbeiter:innen mit giftigen Stoffen in Kontakt. In der Landwirtschaft, etwa beim Anbau von Lebensmitteln oder Baumwolle, werden Pflanzenschutzmittel und Pestizide versprüht und in der Textilindustrie Chemikalien für das Färben und Bearbeiten der Stoffe verwendet. Aber auch im Bergbau werden oft hoch giftige Stoffe eingesetzt - beim Goldabbau zum Beispiel Arsen und Zyanid. Trotzdem tragen Arbeiter:innen meist nicht einmal grundlegende Schutzkleidung.

Zudem ist auch die wirtschaftliche Lage der Arbeiter:innen sehr prekär. Viele besitzen keine Arbeitsverträge, da sie Gast- oder Leiharbeiter sind. Sie können kaum Ersparnisse bilden und stehen so in einer starken Abhängigkeit zu ihren Arbeitgebern. Dadurch können sie ihre Rechte nur sehr schwer durchsetzen. Löhne unter dem Existenzminimum und unbezahlte Überstunden sind die Regel. Hinzu kommen oft Misshandlungen in Form von Demütigungen, körperlichen Angriffen oder sexueller Gewalt.

Menschenhandel in der Rohstoffproduktion

Was nur wenigen bewusst ist: Mehr Menschen als je zuvor in der Geschichte sind betroffen von Menschenhandel. Laut dem Global Slavery Index (2018) waren im Jahr 2016 geschätzt 24,9 Millionen Männer, Frauen und Kinder Opfer von Zwangsarbeit. In der Produktionskette ist vor allem die Rohstoffgewinnung anfällig für Formen von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Besonders hoch ist das Risiko bei Elektronikprodukten, Kleidung, Kakao, Fisch und Bauholz (Walk Free Foundation 2018).

Wir finanzieren Rohstoffkonflikte

Zu den problematischen Rohstoffen gehören vor allem sogenannte Konfliktmineralien, darunter Gold, Zinn, Wolfram und Tantal. Sie werden in politisch instabilen Gebieten abgebaut und finanzieren oft bewaffnete Auseinandersetzungen unterschiedlicher Gruppen. Gold wird meist als Geldanlage und für Schmuck genutzt. Alle vier Metalle finden sich aber auch in Elektronik wieder – in unseren Smartphones, Laptops oder Autos. Kaum eines dieser Dinge kommt ohne problematische Stoffe aus. Und auch wenn die Mengen pro Gerät oft nur gering scheinen - in einem Smartphone beispielsweise sind rund 30 Milligramm Gold verbaut – summieren sie sich bei dem massiven Konsum dieser Dinge. In Deutschland werden beispielsweise jedes Jahr über 22 Millionen Smartphones verkauft. Dazu kommt, dass geschätzt 200 Millionen Smartphones als Altgeräte ungenutzt in unseren Haushalten herumliegen. Am besten ist es daher, gebrauchte oder „refurbished“ (also generalüberholte gebrauchte) Geräte zu kaufen, anstatt neue. Altgeräte sollte man zum Recycling geben, damit die Rohstoffe in ihnen wiederverwertet werden können.

Wir fördern systematische Ausbeutung und soziale Ungleichheit

Zurzeit verbraucht ein Fünftel der Weltbevölkerung vier Fünftel an Rohstoffen. Die Kosten für die Arbeit und Umweltzerstörung, die in diesen Rohstoffen stecken, werden dabei auf andere abgewälzt. Die Arbeiter:innen, die unsere Produkte herstellen, sind gegenüber der Macht von Unternehmen oft in einer zu schwachen Position, um ihre Arbeitsrechte einzuklagen und durchzusetzen.

Die COVID-19 Pandemie hat diese Situation noch weiter verschärft. Viele Firmen stornierten Aufträge, ohne Verantwortung für die Existenzsicherung ihrer Beschäftigten zu übernehmen. Sie zahlten weder Löhne noch Abfindungen. Die Clean Clothes Campaign geht davon aus, dass Textilunternehmen ihren Beschäftigten bis heute rund 12 Milliarden USD in Form von Lohn und Abfindungen schulden.

Was können wir nun tun?

Es kann überfordernd und auch beschämend sein, wenn man sich die Auswirkungen unseres Konsums so anschaut. Aber ich denke, es ist auch nicht zu viel von uns verlangt, uns damit auseinanderzusetzen. Es zeigt uns, wie viel wir noch verändern müssen, um faire und sichere Arbeitsbedingungen zur Normalität zu machen. Leider sind wir es in der westlichen Welt gewohnt, von einem System zu profitieren, das andere für unseren Lebensstil ausbeutet. Das müssen wir aber so nicht hinnehmen. Denn auch wenn das Thema erst einmal komplex ist – für unseren eigenen Konsum können wir immer Verantwortung übernehmen.

Hier ein paar Tipps:

1.    Minimalismus

Sich damit auseinanderzusetzen, was unser Leben wirklich bereichert und was nicht, ist oft auch ein Schritt zu einem besseren Konsumverhalten. Denn oft brauchen wir nur einen Bruchteil von dem, was wir wollen oder besitzen. Welche Dinge das sind, ist bei jedem anders und wir sollten uns Zeit nehmen, das für uns persönlich herauszufinden. Denn das macht es leichter, bessere Konsumentscheidungen zu treffen. Dabei kann es auch Spaß machen, sich selbst mit kleinen Challenges herauszufordern, zum Beispiel eigene Shopping-Regeln aufzustellen – wie Kleidung nur fair oder secondhand zu kaufen, oder eine Zeit lang ganz aufs Shopping zu verzichten. Das erweitert langsam die eigene Komfortzone und macht es leichter, Gewohnheiten zu ändern.

2.    Genau hinschauen

Was ich gelernt habe, ist, dass wir uns bei jedem (ja, wirklich bei jedem!) Teil, das wir kaufen, fragen sollten: Wie wurde es produziert? Klar, manchmal gibt es keine Alternative als ein unfaires Produkt zu kaufen. Aber nur wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen, was wir da eigentlich gerade kaufen, können wir anfangen, besser und ethischer zu konsumieren. Denn in den meisten Fällen haben wir die Möglichkeit, eine bessere Kaufentscheidung zu treffen – wir müssen nur danach schauen.

3.    Leihen, Teilen, Tauschen

Angewöhnt habe ich mir auch, mich vor jedem Neukauf zu fragen: Gibt es noch einen anderen Weg, wie ich eine Sache bekommen kann? Sich Dinge unter Freunden, Verwandten oder Nachbarn leihen, etwas im Secondhandladen kaufen, Bibliotheken und öffentliche Bücherschränke nutzen, Dinge reparieren oder upcyceln… Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, Dinge zu nutzen, die bereits produziert wurden und eigene Sachen an andere weiterzugeben.

4.    Fair hergestellte Produkte kaufen

Mit wenigen Ausnahmen kann man fast alles auch fair produziert kaufen. Verlässliche Orientierung bekommt ihr dabei mit Siegeln wie dem Fair Trade Siegel oder bei Textilien das Label der Fair Wear Foundation. Empfehlungen für Marken, die faire Mode herstellen, findet ihr hier. In unserer Blogreihe zum Thema geben wir euch außerdem Tipps zu fairer Sportswear.

5.    Produzieren über Konsumieren

Für mich war zuletzt noch ein wichtiger Gedanke: Wie selbstbestimmt bin ich in dem, was ich tue? Wie viel Zeit verbringe ich damit, nur zu konsumieren und wie viel bewege ich tatsächlich selbst in meinem Leben? Wenn wir bewusst verantwortungsvoll handeln und uns für mehr Fairness einsetzen, stärkt uns das als Person und inspiriert auch andere.

Wenn euch das auch bewegt und euch die Themen von lightup am Herzen liegen, könnt ihr zum Beispiel Fördermitglied werden. Ihr unterstützt damit die Aufklärungsarbeit von lightup zu Menschenhandel, Arbeitsausbeutung und sexueller Ausbeutung und setzt ein Zeichen für Freiheit und Menschenrechte. Die Fördermitgliedschaft eignet sich auch prima als Weihnachtsgeschenk!

Daher – lasst uns gemeinsam etwas bewegen! Let´s light up together!

 

Geschrieben von Laura


Quellen Text:

Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (2021): Rohstoffabbau schadet Umwelt und Menschen. Zugriff am 20.08.2021 unter https://www.verbraucherzentrale.nrw/wissen/umwelt-haushalt/nachhaltigkeit/rohstoffabbau-schadet-umwelt-und-menschen-11537.

European Comission (2021): Wissenswertes über die Verordnung. Zugriff am 20.08.2021 unter https://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/conflict-minerals-regulation/regulation-explained/index_de.htm.

BMWI (2020): Durchführungsgesetz zur sogenannten europäischen Konfliktminerale-Verordnung und Änderung des Bundesberggesetzes. Zugriff am 20.08.2021 unter  https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/durchfuehrungsgesetz-europaeischen-konfliktminerale-verordnung-und-aenderung-bundesberggesetzes.html.

WWF (2020): Gold – alles andere als glänzend für die Umwelt. Zugriff am 20.08.2021 unter https://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/mining/gold-mining.