Prostitution und Gewalt

Gewalt in der Prostitution ist kein Einzelfall, sondern vielmehr die Regel. Viele Frauen, die der Prostitution nachgehen, erleben sexualisierte Gewalt durch Freier und Zuhälter. Bei den meisten Betroffenen besteht vermutlich ein Zusammenhang zwischen erlebter Gewalt in der Vergangenheit und ihrer gegenwärtigen Tätigkeit in der Prostitution. Oft hat eine Gewalterfahrung bereits in der Kindheit stattgefunden. Trotz der wiederholten Gewalterfahrungen üben die meisten der Frauen ihre Tätigkeit weiter aus. In kaum einem anderen Beruf kommt es zu so vielen gewalttätigen Übergriffen. Überdurchschnittlich viele Frauen sind Opfer von traumatischen Erlebnissen. Ein Verweilen in der Prostitution trotz extremer und wiederholter Gewalterfahrungen kann in der Annahme liegen, dass die Frauen sich in einer Situation der Aussichtslosigkeit und Alternativlosigkeit sehen. Aber auch eine Abstumpfung gegenüber Gewalt durch ihre biografischen Vorerfahrungen, könnten ein Verharren in der Prostitution begründen.

Im Jahr 2004 wurde die erste große bundesdeutsche Repräsentativuntersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland vom BMFSFJ veröffentlicht. Eine nicht repräsentative Teilstudie dazu wurde unter Frauen in der Prostitution erhoben, welche Erkenntnisse über ihre Gewalterfahrungen generell im Leben und spezifisch im Kontext der Ausübung der Prostitution liefert. Dabei sollten das Ausmaß und die Bedingungen von Gewalt erfasst werden. An der Umfrage nahmen 110 sich Prostituierende teil. Auch wenn die Erhebungen nicht repräsentativ sind, geben sie einen Einblick in die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie auch die besonderen Gewalterfahrungen der Frauen. Die in der Studie untersuchten Gewaltformen sind körperliche, psychische und sexuelle Gewalt.

Eine andauernde Gewalt ist den Frauen häufig aus ihren biografischen Vorerfahrungen vertraut. Diese Vertrautheit ist vermutlich ein Grund, warum die Frauen eine von Gewalt geprägte Tätigkeit weiter ausführen. Dadurch, dass viele der Frauen bereits ihr Leben lang extreme Gewalt erfahren haben, liegt auch ihre Toleranzgrenze diese zu ertragen höher als bei Frauen mit keinen oder wenigen Gewalterfahrungen. Außerdem nehmen Frauen in der Prostitution Erlebnisse oft nicht als Gewalt wahr, welche Frauen in anderen Tätigkeitsbereichen als solche erleben. Zum Beispiel empfinden viele Prostituierten verbale Beschimpfungen nicht als eine Form von Gewalt.

Zusätzlich sind viele Frauen von einer Perspektivlosigkeit geprägt. Die Annahme, dass Prostitution die einzige Verdienstmöglichkeit sein kann, lässt sie länger in dieser Situation verharren. Diese Alternativlosigkeit stellt einen weiteren Grund dar, der die Frauen dazu bringt, trotz wiederholter Gewalterfahrung in der Prostitution zu verbleiben.
Einige Frauen befinden sich aufgrund destruktiver und gewaltreicher Beziehungen in der Prostitution. Ihre Tätigkeit ist somit eng mit ihrer Partnerschaft verbunden. Diese Abhängigkeit ist für viele ebenfalls ein Grund, um weiter die Situation auszuhalten.

Prostitution und Gewalt ist kein neues Thema. Wenn von Prostitution berichtet wird, geschieht dies häufig im Zusammenhang mit Gewalt an Prostituierten. Seit Jahrzehnten hat diese Thematik nichts an Brisanz und Aktualität verloren. Umso wichtiger ist es, diesem Problem erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen.

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Geschrieben von Nele


Quellen:

Angelina, C., & Schreiter, L. (2018). Ein Milieu im Wandel: Zugänge zum Thema Prostitution. In C. Angelina, S. Piasecki, & C. Schurian-Bremecker (Hrsg.), Prostitution heute: Befunde und Perspektiven aus Gesellschaftswissenschaften und Sozialer Arbeit (S. 179-196). Tectum.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.) (2004). Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Ergebnisse der repräsentativen Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Teilpopulation 2 – Prostituierte. https://bit.ly/3gAtAuR

Büschi, E. (2011). Sexarbeit und Gewalt: Geschäftsführende von Studios, Salons und Kontakt-Bars über Gewalt und Gewaltprävention im Sexgewerbe. Tectum.

Le Breton, M. (2011). Sexarbeit als transnationale Zone der Prekarität: Migrierende Sexarbeiterinnen im Spannungsfeld von Gewalterfahrungen und Handlungsoptionen. Springer.

Wege, Julia (2018): Sexualisierte Gewalt und Prostitution. In Retkowski, A., Treiber, A., & Tuider, E. (Hrsg.) (2018). Handbuch Sexualisierte Gewalt und pädagogische Kontexte: Theorie, Forschung, Praxis. (S. 360-368). Beltz Juventa.