Selbstexperiment Faire Sportswear – Teil 2: Ein Blick auf die großen Marken

Faire Mode macht in Deutschland lediglich 0, 3 % des Gesamtumsatzes der Modeindustrie aus, trotz steigendem Bewusstsein der Konsument/innen und Wachstum der Fair Fashion Brands. Eine australische Studie belegte zudem, dass nur rund 7 % der Textilfirmen insgesamt weiß, woher ihre Baumwolle stammt. Nur knapp 24 % der Firmen weiß, wo die Stoffe, welche sie verwenden, gewebt, gestrickt oder gefärbt wurden. Und lediglich 39 % der Firmen können Auskunft über die Herstellung und die Lieferkette ihrer Produkte geben.

Diese Informationen waren für mich eine große Ernüchterung, als ich mich auf die Suche nach fair gehandelter Kleidung begab. Die kurze Hoffnung, dass diese Zahlen, die einer Studie aus dem Jahr 2013 entsprechen, sich wohlmöglich im Jahr 2020 geändert haben, wurde sehr schnell enttäuscht. Noch immer profitieren viele Firmen von Ausbeutung, moderner Sklaverei und Kinderarbeit.

Ein Blick auf die führenden Sportmarken wie Nike, Adidas, Under Armour und viele andere bestätigt, was auch der Entwicklungsminister Gerd Müller kürzlich erst feststellte, als er eine bundesweite Umfrage deutscher Unternehmen auswertete, die sich besonders mit der Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette einheimischer Unternehmen beschäftigt. Das Problem undurchsichtiger Lieferketten und das Versagen der Unternehmen sich an eigens aufgestellte Richtlinien und Selbstverpflichtungen, meist in Form eines Codes of Conduct, zu halten ist nicht zu übersehen.

Trotz all dieser wenig ermutigenden Ergebnisse wollte ich mich von meiner Mission, fair gehandelte Sportklamotten zu finden, nicht so einfach abbringen lassen. Doch zunächst war es mir wichtig, einen genaueren Blick auf einige meiner bisherigen Lieblingsmarken zu werfen. „Vielleicht“, dachte ich mir, „ist es ja doch nicht so schlimm wie es auf den ersten Blick scheint. Vielleicht sind diese Marken ja eine Ausnahme.“

Die leise Hoffnung ich müsste mich doch nicht auf die Suche nach etwas Neuem machen, war nach wie vor vorhanden. Es wäre, zugegebenermaßen, auch einfach bequemer für mich gewesen die gewohnten Produkte zu kaufen. Ich kannte meine Größe, wusste welches Modell mir stehen würde und außerdem trug einfach jeder halbwegs seriöse Sportler die Logos der bekannten Marken auf der Brust.

Bei meinen Recherchen stieß ich auf eine Umfrage von 2015, in der Stiftung Warentest auf das Nachhaltigkeits-Engagement großer Sportbekleidungshersteller eingeht. Neben Themen wie Nachhaltigkeit bezüglich der Chemikalien Verwendung oder des CO2-Ausstoßes, ging es der Stiftung auch um soziale Nachhaltigkeit. Das bedeutet konkret, dass die Firmen in Form von Fragebögen zu diesen Themen interviewt wurden. Mal davon abgesehen, dass nur Adidas, Brooks, Reebok und Salomon überhaupt bereit dazu waren einen solchen Fragebogen auszufüllen, konnte fast keine der genannten Marken, mit Ausnahme von Brooks, Angaben zu den Zulieferern ihrer einzelnen Produktkomponenten machen. Darüber hinaus weigerten sich Nike, Saucony, Asics, New Balance und Mizuno Einblick in ihre Produktionsstätten zuzulassen.

Dieses Verhalten lässt, meiner Meinung nach, sehr tief blicken. Selbst nach erschütternden Ereignissen wie dem Einsturz der Rana Plaza, welcher sich nur zwei Jahre vor der Umfrage ereignete, oder dem großen Aufschrei im Olympia Jahr 2008, als große Firmen wie Nike, Asics oder Adidas vermehrt in der Kritik standen ihre Produkte unter schwerer Ausbeutung von ArbeiterInnen zu produzieren, führten bis heute zu keinem tatsächlichen Wandel in den Erzeugerländern.

Zu den Arbeitsbedingungen in den Fabriken gibt es ein informatives Video, das ich jedem empfehlen würde, der sich näher mit dieser Thematik auseinandersetzen möchte. Der Titel lautet „Wie eine Sklavin“. Es werden in dem Video Frauen gezeigt, die jahrelang für Textil Riesen im Ausland genäht und gestickt haben. Aus erster Hand kann man hier Erfahrungen anhören, ohne dass der Film bewusst versucht zu schockieren oder zu verstören.

Nike, der weltweite Spitzenreiter in der Sportbekleidungsbranche lässt einen Großteil seiner Produkte in Asien produzieren. Beispielsweise werden über die Hälfte aller Schuhe von Nike in Vietnam hergestellt. Dies hängt vor allem mit den vergleichsweisen niedrigen Produktionskosten und mit enormen Zuschüssen zusammen, die Regierungen in Asien den Textilfabriken zukommen lassen, um möglichst viele Aufträge großer Firmen zu ergattern. Dass diese Zuschüsse niemals zum unteren Ende der Produktionskette, also zu den Arbeiter/innen gelangen, ist offensichtlich.

Auf der Website von Nike gewährt das Unternehmen einen vermeintlich großzügigen Einblick in seine Unternehmensphilosophie und seinen Code of Conduct. In diesem verpflichtet sich die Firma unter anderem dazu Beschäftigung von unter 16jährigen zu verbieten und im Falle eines Verstoßes gegen diese Verordnung, den Betroffenen aufgedeckter Fälle finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Nichtsdestotrotz listet die Initiative „Aktiv gegen Kinderarbeit“ Fälle und Vorwürfe, bei denen Nike die Verantwortung auf ihre Subunternehmen abwälzte und sich somit einer Einhaltung des Codes entzog.

Solche Vorkommnisse beweisen, dass eine Selbstverpflichtung der Unternehmen im besten Fall ein Schritt in die richtige Richtung ist. Jedoch handelt es sich oftmals auch schlicht um „Woke washing“, mit dem Ziel den Konsument/innen ein gewisses Bild von der betreffenden Marke zu vermitteln. Es ist ein gut funktionierender Mechanismus mit dem Profit orientierte Unternehmen ein sozial- bewusstes Publikum ködern, indem sie den Idealismus der Käufer/innen mit Hilfe progressiver und zweckbestimmter Marketing- Kampagnen ausnutzen.

Leider musste ich letztlich feststellen, dass diese bekannten Sportmarken für mich nicht mehr in Frage kommen. Auch wenn es mittlerweile erste Bemühungen gibt freiwillige Richtlinien zu erarbeiten und sich mit dem Thema Kinderarbeit zumindest medienwirksam auseinander zu setzen, mangelt es doch an der konkreten Umsetzung in die Praxis.

So schön sich doch das Statement von Nike bezüglich Zwangsarbeit, Menschenhandel und moderner Sklaverei liest, welches man aktuell auf ihrer Website einsehen kann, so wenig kann die Einhaltung grundlegender Menschenrechte momentan von Nike für all die Arbeiter/innen in den zahllosen Subunternehmen garantiert werden. Freiwillige Selbstverpflichtung führt nicht zwangsläufig zu dem gewünschten Ergebnis: der Abschaffung von Zwangs- und Kinderarbeit. Zudem macht es mangelnde Transparenz der Unternehmen der/dem Verbraucher/in oft schwer sich ein Urteil über das tatsächliche Engagement und die Einhaltung der Richtlinien der Firmen zu bilden.

Gute Denkanstöße und Handlungsvorschläge habe ich auf der Website der „Clean Clothes Campaign” sowie der Initiative „Aktiv gegen Kinderarbeit“ gefunden. Letztere hat auf ihrer Website eine sehr umfangreiche Liste, auf der unglaublich viele Firmen hinsichtlich ihres Engagements, Codes of Conduct und aufgedeckter Fälle von Kinderarbeit bewertet werden. So kann man sich einen guten Überblick verschaffen, wenn man sich bei einer Marke und deren Produkten unsicher hinsichtlich der sozialen Verträglichkeit ist. Hat man ein bisschen mehr Zeit um sie in dieses Thema zu investieren, bieten diese beiden Websites einen soliden Ausgangspunkt um tiefer in das Problem der Zwangs- und Kinderarbeit einzusteigen.

Manchmal mag man sich dann von der Fülle der Informationen und der Ungerechtigkeit erschlagen fühlen. So ging es auch mir sehr lange. Trotzdem möchte ich alle ermutigen dieses Wissen mit Freunden und Familie zu teilen und auf die Existenz von Ausbeutung und Kinderarbeit aufmerksam zu machen, wo sich eine Chance bietet.

Allein das eigene Verhalten kann einen riesigen Unterschied machen und so Stück für Stück dazu beitragen, moderne Sklaverei zu bekämpfen und abzuschaffen.

Teil 3 folgt am 25.01.2020

Geschrieben von Johanna

Hier findest du mehr Facts zu „Fast Fashion“ und den Auswirkungen unseres Konsums.

Du möchtest mehr faire Labels kennenlernen? Hier stellen wir dir einige vor.


Quellen Text:

Flatley, A. (2020): Nachhaltige Laufschuhe: Diese Marken machen es besser als Nike, Asics & Co. Zugriff am 13.10.2020 unter https://utopia.de/ratgeber/laufschuhe-nachhaltig/.

Jones, O. (2019): Woke-washing: how brands are cashing in on the culture wars. Zugriff am 13.10.2020 unter https://www.theguardian.com/media/2019/may/23/woke-washing-brands-cashing-in-on-culture-wars-owen-jones.

Koch, H. (2020): Kaum Interesse an fairem Handel. Zugriff am 13.10.2020 unter https://taz.de/Umfrage-unter-deutschen-Firmen/!5700795/.

Nike (2019): NIKE STATEMENT ON FORCED LABOR, HUMAN TRAFFICKING AND MODERN SLAVERY FOR FISCAL YEAR 2019. Zugriff am 13.10.2020 unter https://www.nike.com/help/a/supply-chain.

Nimbalker, G./Cremen, C./Wrinkle, H. (2013): The Australian Fashion Report – The truth behind the barcode. Zugriff am 13.10.2020 unter https://apo.org.au/sites/default/files/resource-files/2013-08/apo-nid35284.pdf.

 

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